GERD HAGEDORN
   

  

Pentarchie:

Kontroverse um den Titel "Patriarch des Abendlandes" (Rom) sowie zwischen Moskau ("Drittes Rom") und Konstantinopel ("Zweites Rom") um den Vorrang in der Orthodoxie  

11.11.2013 Gerd Hagedorn: Ergänzung zur Pentarchie und, aus gegebenem Anlass, zum Verhältnis des Moskauer Patriarchats zur orthodoxen "Pentarchie"

Fakten zur Pentarchie: Der Bischof von Rom ist nach uraltem Konzilsbeschluss die Nr. 1 der altkirchlichen Pentarchie (= Fünfergremium zur Leitung der Kirche, entstanden aus den alten Hauptkirchen: Rom, [Konstantinopel], Alexandrien, Antiochien und Jerusalem). Der nicht nachzuvollziehende einseitige Verzicht von Papst Benedikt XVI. auf sein Amt als "Patriarch des Westens" kann an dem Beschluss eines ökumenischen Konzils nichts ändern. Von Moskau war erst rund 1000 Jahre später die Rede, als es sich als erste der mittelalterlichen orthodoxen Nationalkirchen den Titel eines Patriarchats zunächt anmaßte und dann vom Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel ertrotzte und sich in seinem Größenwahn zum gottgewollten "Dritten" (und Letzten!) Rom erklärte, wobei es - bis heute unwiderrufen - das Alte Rom als häretisch und de facto aus der Kirche ausgeschlossen erachtet. Nach dem Großen Schisma zwischen Ost- und Westkirche verlor die Pentarchie faktisch ihren ersten Patriarchen mitsamt seinem Ehrenprimat. Der Zweite (Konstantinopel) wurde zum Ersten und beansprucht den Ehrenvorsitz unter den orthodoxen Patriarchen. Der bisher Sechste (!) der offiziellen Rangfolge, nämlich Moskau, rückte dadurch auf die fünfte Stelle und reklamiert mit Bezug darauf sozusagen einen Sitz in einer neuen, d.h. orthodoxen Pentarchie. Diese ist natürlich mit der alten Pentarchie und ihrem Rang nicht vergleichbar. Aus ihrer schieren Größe und wirtschaftlichen Potenz, die alle anderen orthodoxen Kirchen in den Schatten stellt, leitet Moskau nun auch zunehmend einen Leitungsanspruch der Weltorthodoxie ab, zu Lasten des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel und schadet damit der Einheit der Orthodoxie. Auch die katholische Kirche wird von Moskau [derzeit jedenfalls] nur als ein nützlichen Helfer auf dem Weg zu ihrem ehrgeizigen Ziel betrachtet, die Führung der Weltchristenheit zu übernehmen ("3. Rom"), denn es geht dem Patriarchat nicht um die wirklich wichtigen Fragen der Einheit der Kirche Christi, sondern um eine "strategische", d.h. Moskauer politisch motivierte Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche im Kampf gegen den Säkularismus. Dass dieser ganz dringend und wichtig ist und dass die katholische Kirche zum Beispiel in Deutschland dabei ziemlich kläglich versagt, steht außer Zweifel. Aber die katholische Kirche darf sich nicht als Helfer des Moskauer Patriarchats in dessen unchristlichem Kampf um die Macht und gegen den Ökumenischen Patriarchen missbrauchen lassen. - Nach alter christlicher Gesinnung und Höflichkeit hätte ganz einfach der Sechste in der Rangordnung zu dem Ersten zu gehen und den Kontakt herzustellen, und der Erste würde ihn, bei entsprechender Gesinnung, im Geiste Jesu und in brüderlicher Liebe an seinem Sitz aufnehmen. Das aber lässt das übersteigerte Selbstbewusstsein des Moskauer Patriarchen nicht zu, obwohl gerade er ja selbst, vor seiner Patriarchenwahl, oft und oft bei den römischen Päpsten zu Gast war. Auch die Tatsache, dass die russische Kirche vor kaum 25 Jahren erst aus den Katakomben wiedererstanden ist, und zwar unter sehr tatkräftiger Hilfe der ganzen katholischen Kirche, vor allem aber der Päpste Paul VI. und Johannes Paul II., sollte man nicht vergessen. Ein Wort des Dankes oder der Anerkennung hat man bis heute nicht gehört, ganz im Gegenteil! Ist die Demut keine christliche Tugend mehr im Moskauer Patriarchat? - Der katholischen Kirche kann man nur wünschen, dass sie die Zusammenhänge endlich erkennt und so handelt, wie es recht und erforderlich ist [Gerd Hagedorn].

06.09.2011                                                              Wie aus dem folgenden Artikel - leider nur in Englisch - hervorgeht, hat der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel zusammen mit den drei anderen alten griech.-orthodoxen Patriarchen von Alexandrien, Antiochien und Jerusalem, die die restliche Pentarchie (d.h. ohne Rom) darstellen, sowie mit dem autokephalen Erzbischof von Zypern - da waren's wieder fünf! - bei einer Synaxis das Moskauer Patriarchat in seine Schranken verwiesen, was dessen kanonisches Territorium und seine Expansionsgelüste angeht. Aktuell betrifft das vor allem die Situation in der Ukraine [GH]:

05.09.2011  Kiew: Russian Orthodox Church Asked By Oldest Church Patriarchates to Observe its Canonical Territory

Patriarchs of the four oldest churches of the world and the primate of the Cyprian Autocephalous Church called the Russian

Bild: Die drei griech.-orth. Patriarchen Theophilos III. von Jerusalem, Theodoros II. von Alexandria und der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel sowie Erzbischof Chrysostomos II. von Zypern als Teilnehmer der Synaxis. Patriarch Ignatios IV. von Antiochien schickte wegen der prekären Lage im Nahen Osten einen Vertreter.

Orthodox Church to observe its canonical territory. “Due to the events which have recently taken place in the Orthodox Church,” the council stressed the necessity that the Orthodox Churches should respect and strictly observe the geographical borders of their jurisdictions “as defined by the holy canons and Tomoses [Tomoi] on the foundation of these churches.”                                                                  With these words the pentarchy hinted at nonrecognition of a canonical status of the Ukrainian Orthodox Church-Moscow patriarchate as an “integral part” of the Moscow Patriarchate since the Constantinople Patriarchate stated in the Tomos on the autocephaly of the Orthodox Church in Poland issued in 1924 that it never legally renounced its jurisdiction over the Kyivan Metropolitanate. As for the whole Moscow Patriarchate and its canonical borders, the Constantinople Council observes the Tomos of 1589 according to which the territory of the present-day Ukraine is not part of the Moscow Patriarchate.              One should mention in the context of the above the commentary of the Kyivan Patriarchate saying that the Pentarchy is the way of the Constantinople Patriarchate to show the Russian Orthodox Church “who is the boss” kyrios.org.ua reported.                                                 Pentarchy (from Greek pente, five, and arche, rule) is a system of the superiority in the Christian Church of the five [oldest] patriarchates (Rome, Constantinople, Alexandria, Antioch and Jerusalem), with the primacy of Rome, which came into effect after the Fourth Ecumenical Council of Chalcedon (451) when the Jerusalem Patriarchate was established. (RISU, 05.09.2011).  

01.03.2006  Vatikan:
Papst Benedikt XVI. will künftig auf seinen Titel Patriarch des Abendlandes verzichten. In der neuen Ausgabe des Päpstlichen Jahrbuchs Annuario Pontificio erscheint die Bezeichnung nicht mehr im offiziellen Titel des Papstes. Die italienische Tageszeitung Corriere della Sera meldet daher heute, schon als Kardinal habe Benedikt XVI. erklärt, der Titel Patriarch des Abendlandes passe nicht zum Papsttum. Die Bezeichnung, die erstmals im 5. Jahrhundert benutzt wurde, sei heute nicht mehr zeitgemäß. Aus dem Vatikan gibt es noch keine Bestätigung für die Angaben der Zeitung. (afp) (Newsletter Radio Vatikan, 01.03.2006).

Mein Kommentar: Das geht zu weit, Herr Papst! Der Titel "Patriarch" ist mit dem Bischofssitz von Rom verbunden, nicht mit dem Papstamt. Ökumenische Konzilien haben im 5. Jahrhundert endgültig die Pentarchie der fünf Patriarchen festgelegt mit den Erzbischöfen von Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem. Auf diese fünf Patriarchate gehen noch heute sämtliche Kirchen des Ostens und des Westens zurück. Eine Änderung dieser Struktur wäre nur durch ein neuerliches, wahrhaft ökumenisches Konzil  a l l e r  alten Kirchen möglich, wenn überhaupt, und keinesfalls durch ein schlichtes Weglassen bei der Aufzählung der Titel im Päpstlichen Jahrbuch 2006. Außerdem: auf Privilegien kann man nicht verzichten, selbst wenn sie einem unpassend erscheinen.                

Natürlich ist das Patriarchat des Abendlandes (d.h. die katholische Kirche) längst über seine alten Grenzen hinausgewachsen. Das gilt aber ebenso für die Patriarchate des Morgenlandes, deren Kirchen heute auch im Westen vertreten sind. Darin kann also nicht der Grund liegen, den Titel  "Patriarch des Abendlandes" abzulegen. Wenn die Pressemeldung richtig ist, steht ab sofort den vier alten Patriarchen des Ostens kein solcher des Westens mehr gegenüber, sondern nur noch der römische Papst als sichtbares Oberhaupt der weltumspannenden katholischen Kirche mit seinem Anspruch, die gesamte Kirche Jesu Christi zu leiten. Diesen letztlich aus dem Petrusamt abgeleiteten  Anspruch lehnen alle nichtkatholischen Kirchen unisono ab; ob berechtigt oder nicht, sei einmal dahingestellt. Wie soll es also mit der Einheit der Christen weitergehen, wenn die Hoffnung, dass sich die Ersthierarchen der Kirchen auf der Patriarchen-Ebene der Pentarchie ökumenisch verständigen könnten, mit einem Federstrich dahinschwindet?  Kyrie eleison!                                  

Zusatz vom 11.03.2006: Es wird höchste Zeit, dass sich Papst Benedikt XVI. zum Verzicht auf den geschichtsträchtigen Titel "Patriarch des Abendlandes"  bzw. "des Westens" äußert und die Gründe für seinen Schritt erklärt. Es kann doch niemand auf einen solchen historischen päpstlichen Titel verzichten einfach, indem er ihn im Päpstlichen Jahrbuch streichen lässt und sich ansonsten in Schweigen hüllt.- Wie befürchtet, wurde der Schritt in der Orthodoxie nicht gut aufgenommen, obwohl sich erst wenige Bischöfe dazu geäußert haben.

Der russisch-orthodoxe Bischof Hilarion Alfiev, immerhin der Vertreter der Russischen Kirche bei der Europäischen Union, hat nach einem Bericht der Zeitschrift "The Tablet" vom 11.03.2006 sein Unverständnis darüber geäußert, dass der Papst den Patriarchentitel abgelegt hat, während in ökumenischer Hinsicht der Anspruch des päpstlichen Primates und die damit verbundenen Papsttitel viel schwerer wögen und die Einheit der Kirchen verhinderten. Die Titel des Papstes als "Nachfolger des Hl. Petrus" und als "Oberster Bischof der Universalkirche" bezeichnete er als "skandalös und inakzeptabel für orthodoxe Kirchenführer", da sie den päpstlichen Anspruch einer "universellen Jurisdiktion über die ganze Welt" zu unterstreichen schienen. Bischof Hilarion betonte, nach orthodoxer Auffassung könne es keinen Stellvertreter Christi auf Erden geben oder einen sonstigen Repräsentanten, der im Namen Christi die Kirche leite. Auf diese Weise könne der Papst die Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen jedenfalls nicht verbessern. Er könne im Falle einer Wiederherstellung der eucharistischen Communio zwischen den Kirchen wohl "Patriarch des Westens" genannt werden, und zwar als das Oberhaupt derjenigen Christen, die nicht (!) unter der Jurisdiktion der alten östlichen Patriarchate stehen.-

Nun, seit wann gehört denn Russland zu den alten östlichen Patriarchaten? Moskau hat sich 1589 den Patriarchentitel  nach  jahrhundertelangen  Kämpfen ertrotzt gegen den Widerstand eben der alten östlichen Patriarchate. Man setzte es schließlich an die sechste Stelle. Moskau hat darin aber immer gern eine Wiedergeburt der alten Pentarchie innerhalb der Orthodoxie gesehen, wobei stillschweigend der Patriarch von Rom, der sogar den Ehrenvorrang vor allen anderen Patriarchen hatte und hat, als nicht zur Orthodoxie gehörig ausgeklammert wurde. So kam der Moskauer Patriarch an die begehrte fünfte Stelle der innerorthodoxen "Pentarchie". Bischof Hilarion äußert die alte Polemik der Orthodoxie gegenüber Rom. Einiges ziemlich Törichte habe ich hier schon weggelassen. Es zeigt sich jedenfalls, dass er absolut nicht bereit ist, Entwicklungen - auch historische und ökumenische in der katholischen Kirche - zu akzeptieren oder auch nur das mindeste Verständnis dafür aufzubringen - aus übersteigertem russischen Interesse. Die (russische) Orthodoxie offenbart hier leider wiederum ihre Hartnäckigkeit in der Verfolgung ihrer eigensüchtigen Interessen und Ziele ("Moskau das Dritte [und letzte] Rom"!) sowie die absolute Unbeweglichkeit ihrer Positionen seit mehr als 1200 Jahren. Der gemeinsame böse Feind der Orthodoxie und anderer Kirchen steht nach wie vor in Rom und schweißt dessen Gegner zusammen. Aber einen Fortschritt für die Ökumene bringt das nicht. Deshalb: wir sollten eigentlich dankbar dafür sein, dass uns Katholiken - wieder einmal und hoffentlich endgültig - die Augen für die Realität geöffnet werden, dass die Einheit der Kirchen noch lange eine Utopie - und eine Aufgabe - sein wird.


Eine längst überfällige und zudem sehr unbefriedigende Stellungnahme des Päpstlichen Rates für die Einheit der  Christen vom 22. März 2006:

Vatikan: Warum der Papst einen Titel aufgibt …

Der päpstliche Rat für die Förderung der Einheit äußert sich in einem Statement zur Aufgabe des Titels "Patriarch des Abendlandes" durch den Papst. Dabei wendet er sich gegen Fehl- deutungen dieser Entscheidung von Benedikt XVI. Historisch gesehen, hätten die alten Patriarchate des Ostens, die von den Konzilien von Konstantinopel (381) und Chalkedon (451) festgelegt wurden, sich auf ein klar umrissenes Gebiet bezogen, während das Territorium des römischen Bischofssitzes "im Vagen geblieben" sei.
Zur Zeit Kaiser Justinians im 6. Jahrhundert habe man im Orient den Papst  als "Patriarchen des Westens" verstanden, Rom habe dagegen darauf hingewiesen, dass es drei petrinische Bischofssitze [GH: und deshalb d r e i  alte Patriarchate] gäbe, nämlich außer Rom noch Alexandria und Antiochien. Mittelalterliche Konzilien hätten den Papst als ersten der damals fünf Patriarchen verstanden, ohne ausdrücklich den Titel "Patriarch des Abendlandes" zu erwähnen. Zu einer wahren Blüte in der Anführung dieses Titels sei es dann im 16. und 17. Jahrhundert gekommen, als sich überhaupt die Titel der Päpste "multipliziert" hätten; das Päpstliche Jahrbuch führe ihn 1863 zum ersten Mal auf.

Wörtlich fährt das Vatikan-Statement fort: "Derzeit lässt der Begriff ‚Abendland' an einen kulturellen Kontext denken, der sich nicht nur auf Westeuropa bezieht, sondern über die USA bis hin nach Australien und Neuseeland ... Offensichtlich will diese Bedeutung des Begriffs ‚Westen' kein kirchliches Territorium beschreiben und kann auch nicht als Definition eines Patriarchal-Territoriums gebraucht werden."

Eigentlich sei der Begriff "Patriarch des Abendlandes" kirchenrechtlich gesehen nur sinnvoll, wenn er die besondere Jurisdiktion des Bischofs von Rom für die römische lateinische Kirche beschreibe. "Der Titel ‚Patriarch des Abendlandes', der von Anfang an nicht sehr klar war, ist also im Lauf der Geschichte obsolet und praktisch nicht mehr benutzbar geworden. Es scheint also sinnlos, ihn weiter mitzuschleppen." Das gelte umso mehr, als die katholische Kirche ja mit dem letzten Konzil für die lateinische Kirche in den Bischofskonferenzen "die kanonische Ordnung gefunden hat, die den Bedürfnissen von heute entspricht."

Der Vatikan betont aber auch: "Den Titel 'Patriarch des Abendlandes' fallenzulassen, ändert selbstverständlich nichts an der Anerkennung der antiken Patriarchalkirchen. Noch weniger bedeutet es neue Ansprüche. Der Verzicht auf den Titel will hingegen einen historischen und theologischen Realismus ausdrücken." Er könne auch einen neuen Schub für den ökumenischen Dialog mit sich bringen. (rv) (Newsletter Radio Vatikan, 22.03.2006).

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GH: Mein Kommentar dazu (24.03.2006):

Die Argumentation des Einheitsrates ist in sich nicht verkehrt, geht aber am Hauptproblem vorbei. Der Kirche ging es seinerzeit um die Festlegung des Titels "Patriarch" für die Vorsteher der zunächst 4, dann 5 ökumenisch anerkannten Hauptkirchen des Ostens und des Westens.  D a s   ist das Entscheidende, nicht eine territoriale Zuordnung über den jeweiligen Bischofssitz (Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem) hinaus! Die territoriale Ausschmückung der offiziellen Patriarchentitel geschah mit wachsender Bedeutung oder steigendem Selbstbewusstsein bei allen Patriarchaten erst im Laufe der Zeit, nicht nur in Rom. Insofern kann also der Papst allenfalls auf die Erwähnung des  Abendlandes verzichten, wenn er diese Bezeichnung für überholt hält, aber nicht auf den eigentlichen Titel "Patriarch von Rom", womit der gesamte Bereich seiner Jurisdiktion (das römische Patriarchat) gemeint ist, genauso wenig wie das der Patriarch von Konstantinopel oder die anderen drei für ihre kanonischen Sitze könnten. Der eigenmächtige  Zugriff auf den Titel des römischen Patriarchen ist dem Papst also, trotz aller sonstigen Machtvollkommenheit, nicht gestattet.  In ökumenischer Hinsicht wäre es außerdem höchst unklug, auch wenn die katholische Kirche längst über das alte Abendland hinaus- gewachsen ist. Eine gleiche Entwicklung, wenn auch in geringerem Maße, haben die Patriarchate des Ostens  ja auch genommen.                                                        Im Sinne der alten Weisheit "Quidquid agis, prudenter agas et respice finem!" sollen die Konsequenzen  aus der Streichung des römischen  Patriarchentitels hier angedeutet werden. Das "Patriarchat von Rom" ist eine bedeutende Rechtsinstitution, genauso wie die Patriarchate von Konstantinopel, von Alexandrien, von Antiochien und von Jerusalem. Mit diesen ist es seit mehr als 1500 Jahren im gesamtkirchlichen System der Pentarchie verbunden, solange nicht eine andere Ordnung auf einem Ökumenischen Konzil vereinbart wird.                                                                     Wenn nun der Patriarch von Rom (und mit ihm die westliche Kirche) aus der Pentarchie ausbricht, begibt er sich, zum Schaden der Kirche, der einzigen ökumenisch institutionalisierten Ebene kirchlicher, wenn auch schon lange unterbrochener Gemeinschaft mit den Kirchen des byzantinischen Ostens; einer Ebene, auf der er sogar den unbestrittenen Ehrenvorrang hätte. Die orthodoxen Patriarchen werden das Ausscheiden Roms aus der Pentarchie mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen, sind sie dann doch endlich in ihrem Bewusstsein, die einzig wahre Kirche Jesu Christi zu sein, unter sich! Das schon seit mehr als tausend Jahren sowieso als heterodox angesehene lästige römische Patriarchat wäre damit erledigt, und dessen bisherigen Ehrenvorrang könnte man endlich dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel übertragen, der ja  bisher schon, wenn auch mit sehr eingeschränkter Berechtigung, immer wieder als "Ehrenoberhaupt der Orthodoxie" apostrophiert wird.                                 Die katholische Kirche würde sich mit ihrem mutwilligen, für zeitgemäß gehaltenen Ausscheren aus der altkirchlichen Pentarchie in der Christenheit total isolieren, die zugesagte weitere Anerkennung der orthodoxen Patriarchate wäre dann mit Sicherheit eine Einbahnstraße, und an die Folgen für die katholischen Ostkirchen (die Unierten), die in oft schwierigen Zeiten treu zu Papst und Kirche gehalten haben, wage ich gar nicht zu denken. Der Verzicht auf den Titel "Patriarch des Abendlandes" wird offiziell mit seiner angeblichen Unzeitgemäßheit begründet. Dabei müsste gerade die katholische Kirche aus den vielen Änderungen, die sie in der Vergangenheit aus Gründen der "Modernisierung", anders als die Ostkirchen, immer wieder vorgenommen hat, gelernt haben, dass nur allzu oft gerade die Modernisierungen bald schon wieder unmodern sind und dass sie die Kirche schon zu oft in eine unkatholische Engführung hineingetrieben haben. Die vielen und grundlegenden Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) in Theologie und Kirchenordnung sind ein beredtes Zeugnis dafür, so dass man eigentlich davor gewarnt sein müsste, dem Zeitgeist zu viel Tribut zu zollen, erst recht in einer so wichtigen Frage wie der der Pentarchie, die die Struktur von West- und Ostkirchen berührt.                                Im übrigen erscheint es mir reichlich merkwürdig, dass ausgerechnet Rom von nur drei "Petrinischen Sitzen" spricht. War denn Petrus nicht schon v o r  Antiochien  in Jerusalem und hatte er dort nicht eine führende Stellung unter den Aposteln und in der Urkirche innegehabt? Diese Beziehung zum Apostel Petrus war es doch wohl, die zunächst den Inhabern der vier Sitze von Rom, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem den Patriarchen- titel und Rom den Vorrang zuerkannte. Erst auf dem Konzil von Chalkedon (can. 28) hat man diese alte Ordnung durchbrochen und Konstantinopel nachträglich in die Reihe der alten Patriarchate eingegliedert, ja ihm sogar die zweite Stelle in der Rangordnung, also  n a c h Rom, zugesprochen mit der nichttheologischen,  dafür aber sehr  handfesten politischen  Begründung, es  sei  ja  als die von Kaiser Konstantin neu gegründete Hauptstadt des Oströmischen Reiches das "Neue Rom". Auf dieser Ebene argumentiert nun seit Jahrhunderten Moskau mit seiner These vom "Dritten Rom": Das Erste Rom sei häretisch geworden und aus der Kirchen- gemeinschaft ausgeschieden, das Zweite Rom [=Konstantinopel] sei in die Hände der Ungläubigen gefallen [Eroberung 1453 durch den Islam], aber das Dritte Rom [=Moskau, die größte von den orthodoxen Kirchen] stehe, und ein Viertes werde es nicht geben.                                                                                  Tatsächlich fiel nach dem Ausscheiden des Alten Rom dem Patriarchen von Konstantinopel praktisch der Ehrenvorrang vor den anderen alten Patriarchaten zu, die ja sämtlich zu den Ostkirchen gehören. Damit rückte auch Moskau vom 6. auf den 5. Platz innerhalb der Orthodoxie vor und fühlte sich praktisch als Mitglied der alten Pentarchie, wohlweislich dabei verschweigend, dass diese Rechnung historisch und kanonisch nicht in Ordnung war und ist. Einmal in der "orthodoxen Pentarchie" angekommen, war und ist es sein Bestreben, mit dem "Argument" vom "Dritten Rom" den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel von der "ersten" Stelle zu vertreiben und diese wegen seiner eigenen [und  seit 1989 wiedergewonnenen!] Bedeutung selbst einzunehmen. Das Hauptargument dafür hatten ja schon die Konzilsväter des 5. Jahrhunderts in Bezug auf die Anerkennung Konstantinopels für tausend Jahre vorgegeben. Auf diesem Hintergrund erklären sich viele Empfindlichkeiten, Streitereien und Querelen innerhalb der Orthodoxie.                                                        Insofern kann der multinationale Westen froh sein, dass er nur einen Patriarchen, eben den Bischof von Rom hat, der sämtliche katholischen Ortskirchen unter sich vereint, und alle Eifersüchteleien, Machtstreben und ehrgeizigen Pläne der Kirchen untereinander von vornherein überflüsssig macht.

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Typisch russische Kirche:

Ein russisch-orthodoxer Bischof fordert den Papst auf, weitere Titel abzulegen. Eine Bezeichnung wie "Stellvertreter Christi" sei aus orthodoxer Sicht "nicht akzeptabel, ja skandalös". Das schreibt Metropolit Hilarion Aljeyev in einem Statement auf seiner Web-Seite, aus dem die Nachrichtenagentur Reuters zitiert. Benedikt XVI. hatte kürzlich auf den päpstlichen Titel "Patriarch des Abendlandes" verzichtet. Um die "Widerversöhnung zwischen der orthodoxen und der katholischen Kirche voranzubringen", solle der Papst aber alle Titel ablegen, die seine "universelle Jurisdiktion und die kirchliche Doktrin, die dahinter stehe", bekräftigen. Der Titel "Patriarch des Abendlandes" sei für einen Papst noch relativ akzeptabel gewesen, so der Metropolit. Hilarion ist russisch-orthodoxer Bischof von Wien. (reuters) (Newsletter Radio Vatikan, 05.04.2006).

Anm. GH: Ein bisschen mehr christliche Liebe im Umgangston und etwas historisches Verständnis für eine 2000 Jahre alte Kirche anstelle von Arroganz und Überheblichkeit würde man sich eigentlich nach all den brüderlichen katholischen Hilfen während der Zeit des Kommunismus und all den Vorleistungen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil von der russisch-orthodoxen Kirche wohl wünschen.

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Eine deutliche Stellungnahme, natürlich aus orthodoxer Sicht,  gab die Heilige Synode des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel am 8. Juni 2006 heraus: Bitte hier klicken!                                         

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(Konstantinopel) wurde zum Ersten und beansprucht den Ehrenvorsitz unter den orthodoxen Patriarchen. Der bisher Sechste (!) der offiziellen Rangfolge, nämlich Moskau, rückte dadurch auf die fünfte Stelle und reklamiert mit Bezug darauf sozusagen seinen Sitz in einer neuen, d.h. orthodoxen Pentarchie. Diese ist natürlich mit der alten Pentarchie und ihrem Rang nicht vergleichbar. Aus ihrer schieren Größe und wirtschaftlichen Potenz, die alle anderen orthodoxen Kirchen in den Schatten stellt, leitet MoskauDie Fakten zur Pentarchie: Der Bischof von Rom ist nach uraltem Konzilsbeschluss die Nr. 1 der altkirchlichen Pentarchie (= Fünfergremium zur Leitung der Kirche, entstanden aus den alten Hauptkirchen: Rom, [Konstantinopel], Alexandrien, Antiochien und Jerusalem). Der nicht nachzuvollziehende einseitige Verzicht von Papst Benedikt XVI. auf sein Amt als "Patriarch des Westens" kann an dem Beschluss eines ökumenischen Konzils nichts ändern. Von Moskau war erst rund 1000 Jahre später die Rede, als es sich als erste der mittelalterlichen orthodoxen Nationalkirchen den Titel eines Patriarchats zunächt anmaßte und dann vom Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel ertrotzte und sich in seinem Größenwahn zum gottgewollten "Dritten" (und Letzten!) Rom erklärte, wobei es - bis heute unwiderrufen - das Alte Rom als häretisch und de facto aus der Kirche ausgeschlossen erachtet. Nach dem Großen Schisma zwischen Ost- und Westkirche verlor die Pentarchie faktisch ihren ersten Patriarchen mitsamt seinem Ehrenprimat. Der Zweite nun auch zunehmend einen Leitungsanspruch der Weltorthodoxie ab, zu Lasten des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel und schadet damit der Einheit der Orthodoxie. Auch die katholische Kirche wird von Moskau [derzeit jedenfalls] nur als ein nützlichen Helfer auf dem Weg zu ihrem ehrgeizigen Ziel betrachtet, die Führung der Weltchristenheit zu übernehmen, denn es geht dem Patriarchat nicht um die wirklich wichtigen Fragen der Einheit der Kirche Christi, sondern um eine "strategische", d.h. Moskauer politisch motivierte Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche im Kampf gegen den Säkularismus. Dass dieser ganz dringend und wichtig ist und dass die katholische Kirche zum Beispiel in Deutschland dabei ziemlich kläglich versagt, steht außer Zweifel. Aber die katholische Kirche darf sich nicht als Helfer des Moskauer Patriarchats in dessen unchristlichem Kampf um die Macht und gegen den Ökumenischen Patriarchen missbrauchen lassen. - Nach alter christlicher Gesinnung und Höflichkeit hätte ganz einfach der Sechste in der Rangordnung zu dem Ersten zu gehen und den Kontakt herzustellen, und der Erste würde ihn im Geiste Jesu und in brüderlicher Liebe an seinem Sitz aufnehmen. Das aber lässt das übersteigerte Selbstbewusstsein des Moskauer Patriarchen nicht zu, obwohl gerade er ja selbst, vor seiner Patriarchenwahl, oft und oft bei den römischen Päpsten zu Gast war. Auch die Tatsache, dass die russische Kirche vor kaum 25 Jahren erst aus den Katakomben wiedererstanden ist, und zwar unter sehr tatkräftiger Hilfe der ganzen katholischen Kirche, vor allem aber der Päpste Paul VI. und Johannes Paul II., sollte man nicht vergessen. Ein Wort des Dankes oder der Anerkennung hat man bis heute nicht gehört, ganz im Gegenteil! Ist die Demut keine christliche Tugend im Moskauer Patrarchat? - Der katholischen Kirche kann man nur wünschen, dass sie die Zusammenhänge endlich erkennt und so handelt, wie es recht und notwendig ist [Gerd Hagedorn].