GERD HAGEDORN


KREUZZÜGE

 

27.04.2013  Mailand: Christentum, Islam, die Kreuzzüge und zweierlei Maß – Neuer Film: 11. September 1683 + neues Buch: Gottes Krieger
Wenn es um die Meinungsfreiheit geht, messen viele Massenmedien gegenüber dem Christentum und gegenüber dem Islam heuchlerisch mit unterschiedlichen Maßen. Christen wird auch nicht annähernd jenes Recht der öffentlichen Meinungsäußerung zugestanden wie Moslems, schon gar nicht wenn es um Angriffe oder Beleidigung ihrer Religion geht. Das Bild wird nicht überzeichnet, wenn man behauptet, dass dieselben Massenmedien, die Angriffe auf den Islam verurteilen, gleichzeitig Beleidigungen und Provokationen gegen das Christentum publizieren.
Das neueste Beispiel betrifft den europäischen Abwehrkampf gegen die osmanisch-islamischen Eroberungszüge, der einen Zeitraum von mehr als 800 Jahren von der Schlacht von Manzikert 1071 bis ins frühe 20. Jahrhundert umfasste [nicht zu vergessen der Sieg Karl Martells bei Tours und Poitiers im Jahre 732 und der westgotisch/spanische Kampf gegen die islamischen Eroberer seit dem 8. Jahrhundert GH]. Der italienische Filmregisseur Renzo Martinelli drehte den Film "September Eleven. 1683" über den Kapuziner Marco D’Aviano, der am entscheidenden Sieg der christlichen Streitkräfte 1683 gegen die Türken vor Wien mitwirkte. Martinelli folgte dabei der Theorie des Historikers Bernard Lewis, wonach der Zorn des islamischen Extremismus bis auf die Niederlage von Wien zurückreicht. Der Filmtitel sucht die direkte Anspielung zu den Attentaten vom 11. September 2001 in New York gegen die Twin Towers, bei denen mehrere Tausend Menschen ums Leben kamen. „Hast du gewusst, dass das Datum des 11. September kein Zufall war?“, lautet die Frage auf dem Filmplakat. Am 11. September 1683 wurden die Türken vor Wien besiegt. So erstaunt es vielleicht nur auf den ersten Blick, dass der Film seine Uraufführung am 11. September 2012 ausgerechnet in der Türkei erlebte.
11. September 1683 – Film über Marco d‘Aviano und die Befreiung Wiens von den Türken
Die jüngste Produktion Martinellis, die am 11. April in die italienischen Kinosäle kam, wurde seit Bekanntwerden des Filmprojekts als „antiislamisch“ kritisiert und der Regisseur mit der norditalienischen Lega Nord in Zusammenhang gebracht. Es ist nicht bekannt, dass etwa von derselben Seite Filme wie Königreich der Himmel von Ridley Scott als „antichristlich“ kritisiert worden wären. Während die offizielle Kritik den Film zerreißt, kommt er beim Publikum gut an. Allerdings verhindert ein vorauseilender Gehorsam politischer Korrektheit, dass der Film überhaupt gesehen werden kann. Der Vertrieb gestaltet sich schwierig, Kinoketten lehnten die Vorführung ab, ob es synchronisierte Ausgaben in anderen Sprachen geben wird, ist noch nicht sicher. Damit ist auch fraglich, ob er je in deutschen Kinosälen zu sehen sein wird.
Diese Gewichtungsunterschiede lassen sich auch in der Geschichtsschreibung feststellen, besonders wenn es um die Kreuzzüge geht. Tatsächlich scheint es gelungen, die Kreuzzüge in der kollektiven Wahrnehmung als Stereotypen für Fanatismus und religiöse Intoleranz zu verankern, oder anders ausgedrückt, als eines der schlimmsten Verbrechen, dessen sich die katholische Kirche und das Christentum schuldig gemacht haben. Nicht selten wird einem mittelalterlichen Christentum (mittelalterlich steht dabei oft nur als nicht minder verzerrendes Synonym für intolerant) ein offener, liberaler Islam entgegengestellt. Und das, obwohl die Kreuzzüge alles andere als die ersten Heiligen Kriege waren und die Massaker, die in ihnen begangen wurden, im Verhältnis zu den Massakern, die durch Herrscher späterer Zeit, einschließlich Sultanen, begangen wurden, geradezu als Kleinigkeit erscheinen. Es genügt ein Blick in die Arbeiten des amerikanischen Politikwissenschaftler Rudolph Joseph Rummel (zum Beispiel: Death by Government, 1994, S. 47), um die Dimensionen zu erkennen.
Verzerrtes Geschichtsbild von Kreuzzügen in den Köpfen verankert – Distanzierung obligatorisch
Als die Araber sich ausbreiteten und innerhalb eines Jahrhunderts ein Reich von Spanien bis Indien schufen, taten sie dies aus religiösen Motiven. Der griechische Historiker und Spezialist für byzantinische Geschichte, Evangelos Chrysos erinnert in seinem Buch L’Impero Bizantino 565-1025 (Das byzantinische Reich, Mailand 2002) daran, dass die Araber den 678 mit Byzanz geschlossenen Vertrag für subversiv hielten, weil er erstmals die Möglichkeit eines Abkommens mit den Ungläubigen und die Anerkennung von deren politischer Existenzberechtigung in ihre Herrschaftsdoktrin einführte.
Deshalb setzten sich ihre Aggressionen auch im 8. Jahrhundert durch ständige militärische Einfälle in das Byzantinische Reich fort. Jährliche Militärexpeditionen galten als religiöse Pflicht im Kampf gegen die Ungläubigen. Sie wurden ganz losgelöst von byzantinischen Initiativen unternommen und waren daher auch nicht Reaktionen auf eine eventuelle Bedrohung durch Byzanz. Daran änderte sich auch nichts, als die Araber von den Türken abgelöst wurden. Diese setzten den Byzantinern so aggressiv zu, dass Kaiser Alexios I. Komnenos Gesandte zum Papst in den Westen schickte, um ihn „flehentlich“ um Beistand gegen die Invasoren zu bitten, die das christliche Reich des Ostens fast besiegt hatten, wie der Chronist Bernold von Konstanz überliefert (Michael Hesemann: Die Dunkelmänner. Mythen, Lügen und Legenden um die Kirchengeschichte, Augsburg, 2007, S. 116)
Was die islamische Toleranz gegenüber anderen Religionen betrifft, kennt fast jeder den Stehsatz: Während die katholische Kirche Juden und Häretiker brutal verfolgte, zeigten die Moslems beachtlichen Respekt gegenüber den unterworfenen Völkern und erlaubten ihnen, ihren Glauben ohne Einmischung auszuüben. Die Realität sah etwas anders aus: Die Christen der islamisch besetzten Länder waren einer ganzen Reihe von teils demütigenden Einschränkungen unterworfen. Sie wurden als „Dhimmi“ (Schutzbefohlene) kollektiv in einen minderen Status versetzt [und mussten für das Recht, als Christen weiterleben zu dürfen, hohe Steuern zahlen GH]. Ihre Religion durften sie nur im Privaten ausüben, weshalb ihnen das Läuten von Glocken untersagt wurde. Ebensowenig durften sie neue Kirchen oder Kapellen errichten, Prozessionen abhalten, Ikonen, Kreuze oder andere christliche Symbole in der Öffentlichkeit zeigen. Und nicht zuletzt war es ihnen strengstens untersagt, unter Moslems zu missionieren und sie zum Christentum zu bekehren.
Moderner Konflikt keine Folge von Kreuzzugs-Unrecht an Moslems
Zudem waren sie zahlreichen rechtlichen Diskriminierungen ausgesetzt: Sie mussten höhere Steuern zahlen, sie durften vor Gericht nicht als Zeugen gegen einen Moslem auftreten, sie waren vom Militärdienst ausgeschlossen, [mussten aber durch die berüchtigte Knabenlese die Elite-Einheiten der zwangsislamisierten Janitscharen stellen GH]; sie durften keine politischen Ämter anstreben und mussten eine vorgeschriebene Kleidung oder Kleidungsstücke tragen, um sofort als Christen erkennbar zu sein. Von daher rühren Sonderregeln für Juden, die von den Moslems nach Europa eingeführt wurden und nach der Abschüttelung der islamischen Besatzung beibehalten wurden bis herauf zum gelben Judenstern in der Zeit des Nationalsozialismus. Die antichristlichen Diskriminierungen durch Moslems wurden je nach Epoche strenger oder weniger streng angewandt, aber zu allen Zeiten [bis heute! GH] galten Dhimmis nur als Bürger zweiter Klasse.
Es erstaunt nicht, dass ein solches System zu oft raschen Übertritten zum Islam führte. Ein Christ, der Moslem wurde, konnte seine sozialen Lebensbedingungen deutlich verbessern. Ein Moslem hingegen, der Christ werden wollte, hatte als Apostat alles zu verlieren, sogar sein Leben. Zeiten der Christenverfolgung und des Martyriums waren keineswegs selten. Sie wurden durch Missachtung des Dhimmi-Status provoziert, durch brutale Herrscher oder auch durch den Volkszorn, der sich aus irgendeinem Grund pogromartig gegen die Christen richtete (Bat Ye’or: Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam, Gräfelfing 2002).
Einige westliche Autoren vertreten die These, der heutige Zusammenprall zwischen dem Westen und Teilen des Islams sei eine Folge der Kreuzzüge und des Unrechts, das die Moslems damals erlitten hätten. Diese These ist besonders bizarr, weil die islamischen Geschichtsschreiber jener Zeit nur geringes Interesse für die Kreuzzüge zeigten. Das hatte zum einen damit zu tun, dass sie zum Teil im Auftreten der schiitischen Fatimidendynastie in Ägypten eine viel größere Gefahr für die islamische Einheit sahen. Selbst Saladin wird weniger wegen seiner Erfolge gegen die Kreuzritter gerühmt, als vielmehr wegen seiner Eroberung Ägyptens. Zum anderen damit, dass in den christlichen Versuchen, die heiligen Stätten zu befreien, eine logisch nachvollziehbare Aktion gesehen wurde.
Chatillons Überfall erfolgte nach einem Jahrhundert von Kriegen, an deren Beginn islamische Überfälle standen
Auch für das Mittelalter gilt, dass die meisten Kriege keinen religiösen Hintergrund hatten. Christliche Fürsten konnten gegen christliche Fürsten, islamische Fürsten gegen islamische Fürsten mit derselben Hingabe kämpfen wie gegen die „Ungläubigen“. Ein schwerwiegender Einschnitt erfolgte, als Reinald von Chatillon 1181 eine moslemische Karawane von Pilgern und Händlern auf dem Weg nach Mekka überfiel und am Ufer des Roten Meeres plündernd bis vor die Tore von Mekka und Medina vordrang. Er brach damit einen im Vorjahr mit Saladin geschlossenen Vertrag. Dieses Marodieren erst löste einen Schock auf moslemischer Seite aus, vergleichbar den arabischen Angriffen auf Rom. Chatillons Einzelgang provozierte unmittelbare Gegenmaßnahmen von Saladin, die ihren Höhepunkt in der Schlacht von Hattin und in der Eroberung Jerusalems fanden (Bernard Lewis: Stern, Kreuz und Halbmond. 2000 Jahre Geschichte des Nahen Ostens, München 1997).
Die moslemischen Angriffe gegen christliche Jerusalem-Pilger waren einer der Gründe, die zu den Kreuzzügen führten. Das unlöbliche Verhalten von Reinald von Chatillon geschah erst nach einem Jahrhundert der Kreuzzüge und der Kämpfe im Nahen Osten. Dieser Hinweis soll nichts entschuldigen, die Ereignisse jedoch in ihren historischen Kontext bringen. Im schlimmsten Fall ließe sich resümieren, dass sich die Christen nicht schlimmer als die Moslems selbst verhielten.
Ideologisch motivierte Verzerrung: „barbarischer“ christlicher Westen gegen „zivilisierten“ islamischen Orient
Bei der Lektüre zahlreicher von Historikern verfassten Arbeiten über die Kreuzzüge, nicht minder beim Versuch, Allgemeinwissen über die Kreuzzüge zu ergründen, fällt auf, dass ein geradezu „barbarischer“ christlicher Westen einem „zivilisierten“ islamischen Orient entgegengesetzt wird. Zum Standardrepertoire dieser ideologisch motivierten, antichristlichen und philoislamischen Verzerrung gehört ein Hinweis auf das Verhalten Saladins. Dabei wird die christliche Befreiung Jerusalems 1099, bei der Christen ein Blutbad angerichtet hatten, mit der moslemischen Rückeroberung 1187 verglichen, bei der die Moslems großherzig die Bewohner schonten. Auch in diesem Fall sah die Realität deutlich anders aus.
Das christliche Massaker in Jerusalem war schrecklich. Allerdings galt es nach dem Kriegskodex jener Zeit als legitim, weil sich die Stadt geweigert hatte, sich zu ergeben und daher erstürmt werden musste. Während das christliche Massaker obligatorische Erwähnung findet, werden die enormen Blutbäder nach islamischen Eroberungen meist verschwiegen.
Als Saladin Jerusalem belagerte, sicherte er den Christen freien Abzug zu, wenn sie ihm die Stadt übergäben. Gehen durften dann aber nur die, die ein zusätzliches Kopfgeld bezahlten. Wer nicht zahlen konnte, etwa die Hälfte der Einwohnerschaft, wurde versklavt. Nach der Schlacht von Hattin war Saladin noch weit weniger „großzügig“. Die gefangengenommenen Christen wurden ausnahmslos enthauptet. Saladin selbst beteiligte sich an den Hinrichtungen und beobachtete das Gemetzel seiner Untergebenen wie ein Schauspiel. Imad ad-Din, der Sekretär Saladins, überlieferte: „Er [Saladin] gab Befehl, alle zu enthaupten. Er zog es vor, sie zu töten, anstatt zu Sklaven zu machen. Bei ihm war eine ganze Schar von Gelehrten und Sufis, und mehrere fromme und asketische Männer: Jeder von diesen bat ihn, zumindest einen umbringen zu dürfen“.
Gottes Krieger. Die Kreuzzüge in neuem Licht – Neues Buch räumt mit Geschichtsklitterung auf
Dieses Zitat findet sich auch im neuen Buch des amerikanischen Soziologen Rodney Stark mit dem Titel: "Gottes Krieger. Die Kreuzzüge in neuem Licht", das in diesen Tagen in deutscher Ausgabe erscheint. Es räumt mit einer weitverbreiteten stereotypisierten Verzerrung der Kreuzzüge auf.
Im Namen von Multikulturalismus, Formen von Selbsthass und Fernstenliebe ist ein umgekehrter Rassismus entstanden, der in anderen Kulturen Leuchttürme der Zivilisation erkennen will, weil er in der eigenen Kultur nur Intoleranz und Ablehnungswürdiges zu finden meint. Ein Verhalten, das auch durch Rückgriff auf historische Ereignisse wenig zu gegenseitigem Respekt zwischen den Kulturen beitragen kann.
Text: UCCR/Giuseppe Nardi (Katholisches.info, 27.04.2013).

16.11.2011  Kreuzzüge: Die Mär von friedlichen Moslems und barbarischen Kreuzrittern
(Jerusalem) Wer Ridley Scotts 2005 herausgebrachten Film “Königreich der Himmel” gesehen hat, weiß, was er über die Kreuzzüge zu wissen hat. Zumindest das, was der Westen seit der Aufklärung  zum Thema meint, darüber denken zu müssen:
- Die Kreuzfahrer waren wild und grausam, die Moslems kultiviert und tolerant;
- die christlichen europäischen Imperialisten überfielen friedliche Moslems;
- Saladin war ein Gentleman und die Kreuzritter Schurken;
- seither hassen uns die Moslems mit gutem Grund. --
Diese Anhäufung von Dummheiten ist zwar längst widerlegt, doch wie alles Unkraut schwer aus der Welt zu schaffen, wie alles, was zum Kanon jener zählt, die gerade die kulturelle Hegemonie ausüben. Das veranlasste den bestens ausgewiesenen katholischen Historiker und Kenner des Nahen Ostens, Don Giorgio Fedalto, eine Widerlegung in Buchform vorzulegen. Auf die knappestmögliche Formel gebracht, sagt er darin, dass statt des oben Aufgelisteten das genaue Gegenteil richtig ist.
Von hinten aufgezäumt, bedeutet dies zum Beispiel, dass sich die Moslems erst mit den Kreuzzügen als solchen beschäftigten, als sie ihnen vom Westen Ende des 19. Jahrhunderts in den Kopf gesetzt wurden.
Von den arabischen Zeitgenossen des späten 11. bis 13. Jahrhunderts wurden die Kreuzzüge in weiten Teilen der islamischen Welt nicht einmal wahrgenommen. Die periodischen Züge der Christen, deren kriegerische Auseinandersetzungen verhältnismäßig kurze Phasen blieben, wurden von den Moslems als „logisch“ empfunden. Die Christen versuchten zurückzuerobern, was man ihnen entrissen hatte. Vor allem aber, weil die Moslems die Kreuzzüge wohl als machtpolitischen Angriff auf ihren Besitzstand verstanden, nicht aber als Angriff auf den Islam als solchen.
Die moslemischen Untertanen der Kreuzfahrerstaaten im heutigen Israel, Palästina, Syrien, Libanon und der Türkei waren im Gegenteil sogar erleichtert, dass die christlichen Herrscher sie nicht zu Dhimmis machten, wie dies ganz selbstverständlich die moslemischen Herrscher mit den Christen und Juden taten. In den lateinischen Staaten, über denen das Kreuz errichtet wurde, herrschte zudem ein deutlich geringerer Steuerdruck als in den umliegenden moslemischen Gebieten, was von den moslemischen Untertanen durchaus positiv registriert wurde. -                               „Für viele Araber waren die Kreuzzüge vor allem Angriffe gegen die verhassten Türken“, wie der katholische Publizist Rino Cammilleri schrieb, die in jener Phase unter der Bezeichnung Seldschuken in die Geschichte eingingen. Erst mit dem Auftreten der Seldschuken (Schlacht von Manzikert 1071) und deren Massaker an den Heilig-Land-Pilgern kam es zu den Kreuzzügen.
Geostrategisch waren die Kreuzzüge keineswegs so „überflüssig“, wie es heute gerne dargestellt wird. Sie konnten den türkischen Expansionsdrang für 200 Jahre aufhalten, ehe er im 14. Jahrhundert nach Europa übergreifen konnte und zu einem jahrhundertelangen europäischen Abwehrkampf führte. Erst 1683 konnten die Christen vor Wien den türkischen Vormarsch brechen. Es sollte noch einmal mehr als 200 Jahre dauern, bis die Griechen und die anderen christlichen Balkanvölker wieder ihre Unterwerfung unter das islamische Dhimmi-System abschütteln konnten. -
Die romantische Verklärung Saladins zog selbst den deutschen Kaiser Wilhelm II. in den Bann, der am Grab des Sultans einen Bronzelorbeerkranz niederlegte, den übrigens Lawrence von Arabien, um bei der Verklärung zu bleiben, verschwinden ließ, da die Araber Feinde des Osmanischen Reichs waren.
Werfen wir also einen Blick auf die auch im Film von Ridley Scott dargestellte Schlacht von Hattin. Saladins Sekretär, Imad ad-Din beschrieb das Schicksal der nach der Niederlage gefangengenommenen Kreuzritter der Orden der Templer und der Johanniter: „Er [Saladin] gab Befehl, alle zu enthaupten. Er zog es vor sie zu töten, anstatt zu Sklaven zu machen. Bei ihm war eine ganze Schar von Gelehrten und Sufis, und mehrere fromme und asketische Männer: Jeder von diesen bat ihn, zumindest einen umbringen zu dürfen“. Saladin gewährte dieses „Privileg“ gerne. Anders als im Film dargestellt, gewährte Saladin der christlichen Einwohnerschaft Jerusalems nicht den freien Abzug, sondern verkaufte die Hälfte als Sklaven: alle, die das von ihm verlangte Lösegeld nicht zahlen konnten. -
Auch die gängigen Darstellungen des 4. Kreuzzugs, der nicht in das Heilige Land, sondern zur Eroberung Konstantinopels führte, werden von Giorgio Fedalto hinterfragt. Er zeigt auf, dass das byzantinische Reich seit Beginn der Kreuzzüge eine wenig loyale Haltung gegenüber den Kreuzfahrern einnahm und diese sogar mehrfach verriet. Dies, obwohl gleichzeitig ständig aus Konstantinopel neue Hilferufe an den christlichen Westen ergingen. Der oströmische Kaiser Isaak II. verbündete sich sogar mit Saladin gegen die Kreuzritter, der zum Fall des christlichen Jerusalems beitrug. Und einmal mehr folgte ein neuer Hilferuf Konstantinopels, und einmal mehr brachen die katholischen Ritter aus dem Westen in den Orient auf, und ebenso einmal mehr wurden sie verraten. Daraus folgerten sie, dass der einzige Weg, um diese Dolchstöße künftig zu verhindern, es war, einen der Ihren als Kaiser in Konstantinopel einzusetzen. -
Eine andere unhaltbare „Schwarze Legende“ ist das Blutbad, das Gottfried von Bouillon beim 1. Kreuzzug nach der Einnahme von Jerusalem mit seinen Rittern anrichtete. Man sollte zumindest die Größenordnung kennen. Das moslemische Jerusalem zählte damals rund 10.000 Bewohner. Von diesen kamen im Zuge der Wiedereroberung Jerusalems beziehungsweise der Befreiung, wie die Kreuzfahrer es verstanden, etwa 2000 ums Leben.
Zahlenmäßig steht das in keinem Verhältnis zu den willkürlichen Abschlachtereien, wie sie von den Moslems, vor allem jene von Baibars I. und seiner Mameluken an den Christen verübt wurden und die das Ende der lateinischen Staaten im Orient besiegelten. Massaker, die zudem unter Bruch des gegebenen Wortes geschahen. Die christlichen Unterhändler wurden enthauptet, die Mönche auf dem Berg Karmel (Karmeliten) wurden alle getötet. Die schauerliche Liste könnte lange fortgesetzt werden.
Dazu gehört auch Antiochien, die einst blühende Stadt der Christenheit, dessen erste Gemeinde vom Apostel Barnabas geleitet wurde und wo die Anhänger des Jesus von Nazareth ihren Namen „Christen“ erhielten. Das „schrecklichste Massaker der gesamten Kreuzzugsepoche“ folgte der Eroberung Antiochiens durch Baibars. Was aber wissen die westlichen Historiker und Experten darüber zu sagen? Steven Runciman widmet ihr acht Zeilen, Hans Eberhard Mayer eine einzige und Cristopher Tyerman, der viele Seiten allen Details des Massakers von Jerusalem beim 1. Kreuzzug widmet, fallen zu dem vielfach größeren Massaker von Antiochien lediglich vier Worte ein, Karen Armstrong bringt es auf zwölf Worte und schafft es, selbst darin den Kreuzrittern die Schuld zuzuschreiben, denn, so Armstrong, sei es schließlich deren „Bedrohung“ gewesen, die erst den „neuen Islam“ geschaffen habe. -
Warum scheiterten die Kreuzzüge?
Zunächst gilt es sich zu vergegenwärtigen, dass die Kreuzfahrerstaaten immerhin ebenso lange Bestand hatten, wie die heutigen USA. Allerdings verschlang ihr Erhalt soviel an Steuerzuschüssen, dass Europa ausblutete. In feindlicher Umgebung, Tausende von Kilometern von zu Hause entfernt, verlangte das Unternehmen ständigen Nachschub an Menschen und Mitteln, die auf Dauer nicht aufbringbar waren. Der Glaube (“ja, der Glaube”, schreibt Giorgio Fedalto) machte die enormen Leistungen erst möglich und ließ die größten Opfer bringen. -
Als jedoch ein Heiliger wie Frankreichs König Ludwig IX. in zwei gut vorbereiteten Kreuzzügen scheiterte, beim ersten in Gefangeschaft geriet und beim zweiten starb, fragten sich die Christen, ob Gott es wirklich wollte, dass sie in dieser Form hinauszögen oder ob es nicht besser sei, das Heilige Land seinem Schicksal zu überlassen. Die Worte des sterbenden Königs: “Wir werden in Jerusalem einziehen”, bewahrheiteten sich für ihn im metaphysischen Sinn mit dem Einzug in das himmlische Jerusalem. -
Eine Frage, nämlich die des Heiligen Krieges, harrt noch einer näheren ideengeschichtlichen Untersuchung. Es spricht viel dafür, dass die den Kreuzzügen zugrundeliegende Idee eines “Heiligen Krieges”, die dem Christentum eigentlich fremd ist, da dieses nur die Notwehr kennt, von Spanien importiert wurde. Dort kämpften die Christen seit 711 in der Reconquista gegen die Moslems. Dabei lernten sie von ihren Gegnern die eine starke Wirkung entfaltende Idee des Dschihad kennen und versuchten sie für ihre Sache dienstbar zu machen. (Text: Giuseppe Nardi; Katholisches.info; 16.11.2011).